Wissenswertes zur vorzeitigen Ausübung von Call-Optionen

EINFÜHRUNG

Die Ausübung einer Aktien-Call-Option vor Ende der Laufzeit bietet im Regelfall keine finanziellen Vorteile, denn:

  • es bedeutet, das jeglicher verbleibende Zeitwert der Option verfällt;
  • es erfordert einen höheren Kapitaleinsatz zur Zahlung oder Finanzierung der Bereitstellung der Aktien; und
  • für den Inhaber der Option steigt unter Umständen das Risiko eines Verlustes an den Aktien im Verhältnis zur Optionsprämie.

Dennoch kann es für Depotinhaber, die über die Voraussetzungen verfügen, um erhöhte Kapital- oder Leihanforderungen zu erfüllen und das ggf. erhöhte Verlustrisiko tragen zu können, finanziell von Vorteil sein, die vorzeitige Ausübung einer amerikanischen Call-Option zu beantragen, um von einer bevorstehenden Dividendenausschüttung zu profitieren.

HINTERGRUND

Als Informationshintergrund sei erwähnt, der Inhaber einer Call-Option nicht berechtigt ist, eine Dividende auf die zugrunde liegende Aktie zu beziehen, da der Anspruch auf diese Dividende ausschließlich für den Inhaber der Dividende zum Dividendenstichtag entsteht.  Bei ansonsten gleichen Bedingungen sollte der Kurs der Aktie um den Betrag sinken, der der Höhe der Dividende am Ex-Tag entspricht. Während die Optionspreistheorie davon ausgeht, dass der Call-Kurs den diskontierten Wert der erwarteten Dividendenausschüttungen über die Laufzeit hinweg abbildet, kann dieser jedoch auch am Ex-Tag fallen. Die folgenden Umstände machen den Eintritt dieses Szenarios besonders wahrscheinlich und die vorzeitige Ausübung der Option vorteilhaft:

1. Die Option steht tief im Geld und verfügt über einen Delta-Wert von 100.

2. Die Option verfügt lediglich über einen geringen oder keinen verbleibenden Zeitwert.

3. Der Dividendenbetrag ist relativ hoch und der Ex-Tag liegt vor dem Fälligkeitsdatum der Option. 

BEISPIELE

Um die Auswirkungen dieser Umstände mit Blick auf die Entscheidung über eine vorzeitige Ausübung zu veranschaulichen, sei als Beispiel ein Depot gegeben, in dem sich Long-Cash-Guthaben in Höhe von $9,000  und eine Long-Call-Position auf eine fiktive Aktie „ABC“ mit einem Ausübungskurs von $90.00 und einer verbleibenden Laufzeit von 10 Tagen befindet. ABC wird aktuell zu einem Kurs von $100.00 gehandelt und es wurde eine Dividendenausschüttung in Höhe von $2.00 pro Aktie mit dem morgigen Tag als Ex-Tag angekündigt. Weiterhin sei angenommen, dass der Kurs der Option und der Aktienkurs sich ähnlich verhalten und am Ex-Tag um den Dividendenbetrag fallen.

Unter diesen Voraussetzungen werden wir die Ausübungsentscheidung unter der Absicht betrachten, die 100-Aktien-Delta-Position beizubehalten und das Gesamteigenkapital zu maximieren, indem wir zwei Optionskursannahmen verwenden: Im ersten Fall wird die Option bei Parität verkauft und im zweiten Fall über Parität.

SZENARIO 1: Optionskurs bei Parität - $10.00
Wird eine Option bei Parität gehandelt, ermöglicht die vorzeitige Ausübung die Erhaltung des Delta der Position und umgeht den Wertverlust in der Long-Option, wenn die Aktie ex-Dividende gehandelt wird. In diesem Fall werden die Barerträge vollständig eingesetzt, um die Aktien bei Ausübung zu kaufen. Die Optionsprämie verfällt und die Aktie (abzüglich des Dividendenbetrags) und die zahlbare Dividende werden dem Depot gutgeschrieben. Das gleiche Endergebnis kann durch den Verkauf der Option vor dem Ex-Tag und den Kauf der Aktie erzielt werden:

SZENARIO 1

Bestandteile des

Depots

Kontostand

zu Beginn 

Vorzeitige

Ausübung

Keine

Maßnahme

Verkauf der Option &

Kauf der Aktie

Barmittel $9,000 $0 $9,000 $0
Optionen $1,000 $0 $800 $0
Aktien $0 $9,800 $0 $9,800
Zahlbare Dividende $0 $200 $0 $200
Gesamteigenkapital $10,000 $10,000 $9,800 $10,000

 

 

SZENARIO 2: Optionskurs über Parität - $11.00
Wird eine Option oberhalb der Paritätsgrenze gehandelt, ist die vorzeitige Ausübung der Option zur Ausnutzung des Abschlags zwar besser als keinerlei Maßnahmen zu ergreifen, aber nicht unbedingt finanziell vorteilhaft. In diesem Szenario würde die vorzeitige Ausübung zu einem Verlust von $100 Optionszeitwert führen, während Untätigkeit einen Verlust der $200 Dividendenwert bedeuten würde. Die beste Vorgehensweise wäre hier der Verkauf der Option zur Gewinnung des Zeitwerts und der Kauf der Aktie, um die Dividende zu erhalten.

SZENARIO 2

Bestandteile des

Depots

Kontostand

zu Beginn

Vorzeitige

Ausübung

Keine

Maßnahme

Verkauf der Option &

Kauf der Aktie

Barmittel $9,000 $0 $9,000 $100
Optionen $1,100 $0 $900 $0
Aktien $0 $9,800 $0 $9,800
Zahlbare Dividende $0 $200 $0 $200
Gesamteigenkapital $10,100 $10,000 $9,900 $10,100

  

HINWEIS: Depotinhaber, die eine Long-Call-Position als Bestandteil eines Spreads halten, sollten insbesondere die Risiken einer Nicht-Ausübung der Long-Seite des Spreads in Anbetracht der Wahrscheinlichkeit einer Zuteilung für die Short-Seite des Spreads bedenken. Bitte beachten Sie, dass die Zuteilung eines Short-Calls zu einer Short-Position für die entsprechende Aktie führt und Inhaber von Short-Positionen einer Aktie zum Dividendenstichtag verpflichtet sind, die Dividende an den Verleiher der Aktien zu zahlen. Darüber hinaus erlaubt der Bearbeitungsprozess für Ausübungsanträge der Clearingstelle keine Einreichung von Ausübungsanträgen als Reaktion auf eine Zuteilung.

Nehmen wir als Beispiel einen Credit-Call-(Baisse-)Spread für den SPDR S&P 500 ETF Trust (SPY), bestehend aus 100 Short-Kontrakten für März '13 $146 und 100 Long-Kontrakten für März '13 $147. Am 14. März 2013 kündigte der SPY Trust eine Dividende von $0.69372 pro Aktie mit Ausschüttung am 30. April 2013 für registrierte Aktieninhaber zum Stand vom 19. März 2013 als Stichtag an. Angesichts der Abwicklungsfrist von 3 Geschäftstagen für US-Aktien hätte der Kauf der Aktien oder die Ausübung der Call-Option spätestens am  14. März 2013 erfolgen müssen, um Anspruch auf die Dividende zu erhalten, da die Aktie ab dem folgenden Tag ex-Dividende gehandelt wurde. 

Am 14. März 2013, mit einem verbleibenden Handelstag bis zur Fälligkeit, wurden die beiden Optionskontrakte bei Parität gehandelt, was einem maximalen Risiko von 100 US-Dollar pro Kontrakt bzw. 10,000 US-Dollar für die Position von 100 Kontrakten entspricht. Jedoch wurde die Gelegenheit versäumt, die Long-Kontrakte auszuüben um die Dividende zu erhalten und sich für den wahrscheinlichen Fall einer Zuteilung für die Short-Kontrakte aufgrund anderer nach der Dividende strebender Anleger abzusichern. In der Folge entstand ein zusätzliches Risiko von $67.372 pro Kontrakt bzw. $6,737.20 für die Gesamtposition, was der Dividendenzahlungsverpflichtung im Falle einer Zuteilung aller Short-Calls entspricht. Wie sich der nachstehenden Tabelle entnehmen lässt, wäre das maximale Risiko bei Ermittlung der endgültigen Abwicklungskurse am 15. März 2013 bei $100 pro Kontrakt verblieben, wenn für die Short-Optionsseite keine Zuteilung erfolgt wäre.

Datum SPY Schlusskurs März '13 $146 Call März '13 $147 Call
14. März 2013 $156.73 $10.73 $9.83
15. März 2013 $155.83   $9.73 $8.83

Weitere Informationen dazu, wie Sie einen Antrag auf vorzeitige Ausübung einreichen, erhalten Sie auf der IB-Website.

 

Der vorstehende Artikel wird ausschließlich zu Informationszwecken bereitgestellt. Er stellt keine Empfehlung oder Handelsberatung dar und vertritt nicht die Einschätzung, dass die vorzeitige Ausübung von Optionen für alle Kunden und Transaktionen gewinnbringend oder angemessen ist. Depotinhaber sollten einen Steuerexperten konsultieren, um zu ermitteln, ob und in welcher Form eine vorzeitige Ausübung zu steuerlichen Konsequenzen führen kann, und sollten besonderes Augenmerk auf mögliche Risiken beim Ersatz einer Long-Optionsposition durch eine Long-Aktienposition richten.